Samstag, 17. September 2011

Stille(rei) im Jammertal

Eigentlich gäbe es soviel zu berichten, aber die Zeit sitzt mir im Nacken. Wenn ich den kleinen Matz zum schlafen gebracht habe, dürstet es auch mich nach einem Mützchen voll Schlaf und wenn er wach ist, klebt mir mein Kind am Körper - vorzugsweise an den Brüsten. Und es lässt sich ehrlich verdammt schwer tippen, wenn einem so ein kleiner Mensch an den Nippeln hängt und einen riesen Zirkus veranstaltet, sobald ihm seine Andockstation mal versehentlich entfleucht.

Es gibt Tage, an denen fühle ich mich regelrecht gleichermaßen ausgelaugt und ausgesaugt. Man sagte mir, es würde sich schon einpendeln, der Zwerg sei einfach noch zu schwach auf der Brust, um sich seine Mahlzeit in einem Rutsch einzuverleiben. Es würde bald besser werden, er müsse nur ein wenig an Kraft gewinnen und Gewicht zulegen.

Inzwischen bringt Tom Turtle 3600 Gramm auf die Waage und bis dahin war es ein steiniger, beschwerlicher Weg.

Auch wenn er am Montag nun 4 Wochen alt wird, ziehen sich die Stillphasen noch immer über Stunden; ich kann kaum das Bett, meine Stillstation, verlassen. Wasser lassen, Zähne putzen, Brote schmieren muss ich im Eiltempo hinter mich bringen, häufig mit Baby auf dem Arm. Duschen geht ohnehin nur, wenn der Mann da ist. Der Mann, auf den ich in den letzten Wochen so unglaublich wütend war. Weil er essen kann, wann er will. Weil er pinkeln kann, wann er will. Weil er schlafen kann, wann er will. Weil er in die Sauna und baden geht. Weil er Ablenkung findet, indem er die Glotze einschaltet, vor dem Rechner hockt, Entspannungsübungen macht und sich auf seiner Massageliege aalt, während ich im Bett hocke und stille und stille und stille. 2 Stunden, 3 Stunden, 4 Stunden. Natürlich mit Pausen. Nichtsdestotrotz kann ich mich kaum rühren, weil ich sonst böses Protestgeschrei ernte.

Wenn ich unseren Sohn mal satt bekommen habe, hält das wohlige Sättigungsgefühl tagsüber kaum mehr als eine Stunde, dann geht die Prozedur wieder von vorne los. Zum einschlafen kriege ich ihn meistens nur, wenn ich ihm während des Stillens ein Tuch über die Augen lege.

Manchmal schläft er sogar mit offenen Augen ein, hängt an meiner Brust; Mund auf; Augen auf. Ich streiche ihm dann vorsichtig über die Stirn und die kleinen Äuglein und schon schnorchelt er friedlich vor sich hin.

Meine Hebamme hat den Vorschlag in den Raum geschmissen, vielleicht doch gelegentlich mal zur Pre-Nahrung zu greifen. Auf Dauer wäre die Situation nicht tragbar; ich würde alles versuchen (Malzbier, Stilltee, häufiges Anlagen (oder auch seltendes ablegen, haha, Kind häufig am Körper, viel Ruhe, abpumpen, blabla). Trotzdem scheint ihm die Milch nicht zu reichen, beziehungsweise nicht zu sättigen.
"Du kannst ja die nächsten Wochen nicht nur im Bett verbringen", hat sie gesagt. Ja, das finde ich wohl auch. Trotzdem tue ich mich mit der Entscheidung für oder gegen Pre-Nahrung ehrlich schwer. Ich hoffe weiterhin, der Knoten möge bitte endlich platzen und sein Trinkverhalten sich endlich, endlich regulieren.

Ich denke, ich werde noch einmal den Rat einer Stillberaterin in Anspruch nehmen, unseren Fall schildern und dann mal schauen, ob den schlauen Spezialisten noch irgendwas einfällt, dass ich tun könnte. Oder irgendwas auffällt, dass ich falsch mache.

Es gibt Tage, da sitz ich hier und könnte nur heulen. Weil ich mich dann für eine schlechte Mama halte, die es nicht mal fertig bringt ihr Kind zu sättigen. Weil ich dann denke, mein Kind hätte mich nicht lieb. Weil ich mich benutzt fühle. Weil ich müde bin und nicht schlafen darf. Weil mich die Freiheit des Mannes neidisch und verbittert macht. Weil ich wusste, alles würde sich ändern, aber nicht damit gerechnet hab, dass sich alles SO ändert. Weil ich mich naiv fühle, dumm, dusselig. Abgewrackt, ungepflegt, mürrisch. Weil mich der Zustand unseres Haushalts krank macht. Weil ich schreien könnte, wann immer der Mann sagt "Ich kann das doch machen" oder "Ich mach das schon" und es dann doch wieder vergisst. Den einen Tag wollte er mir einen Frühstücksteller ans Bett bringen. Es war bereits 13 Uhr durch und ich hatte noch nichts gegessen. Bis 15 Uhr hab ich im Bett gelegen, das Kind an der Brust und der Mann schlummerte friedlich im Nebenzimmer, trat nach zwei Stunden durch die Tür und verkündete, jetzt in die Sauna fahren zu wollen. Ich hab geweint, so wütend war ich, weil er auf meine Bemerkung, ich fände das nicht okay, patzig reagierte und ohne Abschied das Haus verließ.

Meine Nerven sind dünn wie Spinnenweben; ich entschuldige mich ein dutzend Mal am Tag bei meinem Kind für meine schwachen Nerven und versichere ihm, ihn zu lieben, auch wenn ich manchmal gemeine Sachen denke und ihn neulich "Arschloch" nannte, nachdem er (mal wieder) Stunden getrunken hatte, (mal wieder) einschlief und (mal wieder) sofort wieder aufwachte, als ich meine Brustwarze (mal wieder) für mich haben wollte.

Das Stillen sei eine so schöne Erfahrung gewesen, sagte mir neulich jemand, ob ich das nicht auch fände.

Nein, finde ich nicht und ich finde obendrein, die gesamte Werbeindustrie kann mir mal gepflegt die Kehrseite küssen. Die, mit ihren friedlich schlummernden Babys und den wunderschönen, friedvoll lächelnden Müttern. Mit ihrer Heile-Babywelt-Propaganda.

Ehrlich, ich liebe mein Kind. Ich liebe, liebe, liebe mein Kind. Letzte Nacht hat er für ein Weilchen so ruhig dagelegen und so flach geatmet, dass mir für einen kurzen Moment unglaublich schlecht wurde, weil ich dachte... Es würde mich umbringen. Ihn zu verlieren würde mich in all meine Bestandteile zerlegen und ich wäre nicht imstande, mich wieder zusammen zu puzzeln.

Aber die Stillerei, die bringt mich an den Rand des Wahnsinns...

6 Kommentare:

  1. Mensch, das hört sich ja furchtbar an. Vielleicht ist das Zufüttern doch eine Möglichkeit? So schonst du deine Nerven und dein Mann könnte sich auch mal um den Kleinen kümmern und das Füttern übernehmen.

    Ich wünsch dir viel Kraft und Durchhaltevermögen!

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  2. Hallo Katie,

    eigentlich wollte ich gerade kommentieren, doch dann fiel mir auf, dass der kommentar epische ausmaße annimmt und wollte dir lieber per e-mail schreiben. jedoch finde ich keine e-mail-adresse. hast du eine für mich?

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  3. @boogiewoogiemädchen Ich bin heute los, Pre-Nahrung kaufen. Er scheint einfach ein lahmarschiger Esser zu sein - 2 Stunden für 150 ml. Aber wenigstens lag ich mal nicht zwei Stunden mit blankem Busen rum und das ist doch auch was wert. ;) Hab dank für deine Anteilnahme. :)

    @toddlermommy rebella@weibsvolk.org :) Bin gespannt auf das angekündigte epische Ausmaß :)

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  4. Huhu Katie,

    ich kann dich gut verstehen - sehr gut sogar.

    Liebe Grüße

    engelwelt

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  5. Ohje :(
    Bei uns hats mit dem Stillen auch nicht richtig geklappt. Philipp hatte grünes Fruchtwasser geschluckt und die ersten 24h im Krankenhaus NICHTS zu sich genommen, egal was wir (Ich+Still/Kinderkrankenschwestern) versucht haben. und dann noch die doofe Grippe dazu.
    Da war der Zug dann quasi abgefahren. Es heißt ja wenn man in den ersten Stunden das nicht hinkriegt ist der Zug abgefahren. Das stimmt wohl.
    Hab alles versucht, musste aber schon im KH aufgrund meiner Grippe und dem Fieber zufüttern.
    Zuhause haben wir dann mit Hebamme, Tee, Abpumpen alles versucht.
    Ich musste letztendlich Teilstillen und Pre-Nahrung geben. Konnte ca. 3 Monate Teilstillen, dann war wollte mein Sohn nicht mehr (Brust verweigert).
    Hab deshalb auch viele viele Tränen vergossen, denn ich wollte unbedingt 6 Monate voll Stillen.

    Mach dich nicht so fertig. Bringt weder dir noch dem Kind was *drück*
    Die Stillberaterin ist eine gute Idee. Gibt es vielleicht bei euch auch ein Stilltreffen (guck mal unter http://www.lalecheliga.de/) oder ein Still-Cafe? Da kannst du dir sicher auch Rat und Hilfe holen!

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  6. Also mach dir wegen dem Zufüttern keinen Kopf. Ich kenne GANZ genau das, was du beschreibst. Wir hatten das auch mit unserer zarten 2665g-Maus. Sie brauchte eeeewig zum Trinken am Anfang und da ich so unsagbar schlimme Schmerzen empfand an den Brustwarzen, habe ich nie länger als eine Stunde Stillen ausgehalten. Bei mir waren die Schmerzen beim Anlegen übrigens erst nach 10 Wochen weg. Eine lange Zeit wo man sich jedes mal sehr quält und zweifelt beim Stillen.
    Das Zufüttern war soooo eine Erleichterung für uns. Es ist nicht, weil ich zu wenig Milch hatte (im Gegenteil), sondern einfach um die Nahrungsaufnahme zu beschleunigen. Und tatsächlich schlief das Mäuschem beim Flaschetrinken selten ein (bei Mama ist es ja so kuschelig) und trank einen ordentlichen Schluck in vertretbarer Zeit. Bei uns läuft die Zwiemilchernährung seitdem problemlos. Ich genieße es, nach 20-30 Minuten Stillen entlassen zu werden und den Rest der Fütterung an den Papa (oder Oma/Opa) abzugeben. Ich muss mir keine Gedanken machen, wenn ich mal allein unterwegs sein sollte, dass das Kind plötzlich Hunger bekommt und ich nicht da bin. PRE-Nahrung ist ja da und kann sofort verfüttert werden. Und ich habe den Vorteil, dass unsere Maus von Anfang an (naja einen Monat stillte ich voll) BEIDES akzeptiert. Brust und Flasche. Darum beneiden mich heute viele Still-Mamas, die langsam ans Abstillen denken.

    Alles Gute euch drei! Ihr schafft das! Die erste Zeit ist echt anstrengend. Aber es wird besser...

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